Wir sitzen auf dem Balkon unter dem kleinen Vordach, das uns vor dem Regen schützt. Der Himmel weint schon seit über einer Woche. Ich hab seit etwa einem Monat nicht mehr geweint. Ich hatte es auf einmal nicht mehr nötig, als du da warst, aus dem Nichts gekommen, nachdem ich mich mehrere Wochen jede Nacht in den Schlaf geweint habe. Nur dass der Schlaf meist sehr lange ausblieb. Oder gar nicht in mein Bett kam.
Jetzt brauch ich ihn auch nicht mehr, da du da bist, um mit mir die Insomnia zu teilen. Um meine Insomnia zu versüssen.
Du rauchst. Die Kippe zwischen deinen langen Fingern, ihr Glimmen rot gegen den drei Uhr Morgen-Nachthimmel. Deine Augen halb geschlossen, die Lippen halb offen. Ich lächle, damit du denkst, dass mich der Rauch nicht stört. Denn ich glaube wirklich, dass er mich nicht stört. Nicht mehr. Vor einem halben Jahr wäre das noch anders gewesen. Vieles wäre vor einem halben Jahr noch anders gewesen. Ich bin vor einem halben Jahr noch so anders gewesen.
Aber es stört mich wirklich nicht. Solange ich den kalten Rauch nicht mehr auf deinen Lippen schmecken kann, wenn du mich endlich wieder küsst.
Neben unseren ineinander verschränkten Beinen stehen zwei Kaffeetassen. Sie sind leer, bis auf ein paar Wassertropfen, die den Boden in eine braune Pfütze verwandelt. Als du aus deiner getrunken hast, habe ich sie kurz beneidet, da sich deine Lippen dafür von meinen lösen mussten. Doch jetzt liegen die beiden leer und verbraucht rum und du schenkst ihnen keine Beachtung mehr.
Du hast gesagt, wir werden im Sommerregen tanzen, doch es ist noch nicht Sommer. Darum sitzen wir auch hier oben, sicher unter dem Vordach, satt uns da unten zu Drehen, bis alles um uns herum nur noch aus einem Schleier aus Licht und Schatten besteht.
Und ich frag mich, ob du im Sommer noch da sein wirst. Oder ob ich von dir wie die leere Tasse stehengelassen werde, ausgetrunken und verbraucht, damit du dich wieder anderen Lippen zuwenden kannst.

Von Nora.