Die vielen Momente, die sich zusammensetzen und die Welt ergeben. Die vielen Momente, die es schon gab, die vergangen sind und diese, die erst noch vergehen werden. Solche Momente meine ich. Die Momente mit leerem Blick. In denen alles ist wie es sein sollte.
Jeden Morgen. Ein kurzer Blick in den kurdischen Frisörsalon, während dem ich auf den Zug renne, den ich verpassen werde. Aber in diesem Moment noch nicht. Und er, der den Blick erwidert. Immer am Haare schneiden. Ein kurzer Blick, nichtssagend. Bloss die Bestätigung der gegenseitigen Existenz. In diesem Moment renne ich immer auf den Zug und er schneidet immer Haare.
Und Nachts, wenn ich nach Hause laufe, ein Blick in den dunklen kurdischen Frisörsalon. Bloss leer und ohne Existenz.
Der, der sich all drei Monate einen Tag Zeit nimmt, um den Wegrand der Zufahrt zu jäten. All das Gras ausreissen. Der Moment, wenn er anfängt und der, wenn er aufhört. Danach der Moment, wenn mein Vater neue Grassamen in die frisch gehackte Erde legt. Momente wartet bis das Gras wieder nachwächst.
So lange ist alles gut. Alles normal. So lange ist alles wie es sein sollte.
Der Moment, wenn ich den Mann mit den langen Haaren und dem weissen Pullover sehe. Der Moment, wenn ich ihn nicht sehe und vergesse, dass ich ihn doch sehen sollte. Denn ich sehe ihn immer auf dem Zug. Egal welchen Zug ich nehme. Egal welche Zeit. Die vielen Momente, in denen wir uns nicht ansehen, da wir uns gegenseitig suspekt vorkommen. Zu oft zur gleichen Zeit am gleichen Ort. Zu viele überschneidende Momente.
Der Moment, wenn er mich ansieht und beginnt zu weinen.
Der Moment, wenn ich wegsehe.
Dann beginnen die vielen Momente auseinanderzufallen. Die Welt zerbröckelt zurück in Momente. Momente, die nicht mehr so sind wie sie sein sollten. Sein wollten. Die Momente die die Floskel verlieren. Die alleine da stehen. Solche Momente meine ich.
Text von Elena, Bild von Nora