Du und ich – wir sind Isomere. Unterschiedlich in Struktur, aber letztendlich gleich in der Summe. Unser Erscheinungsbild ist nicht gleich, ebenso nicht die Art, wie wir uns geben; wie wir funktionieren, uns verhalten. Aber ticken – ticken tun wir gleich. Das weiß ich, seitdem du mir erklärt hast – du hattest dabei ein Lächeln in deiner Stimme -, dass du manchmal infrage stellst, ob du wirklich existierst, ob wir nicht nur Teil sind einer großen Illusion, die du und ich und wir alle in unserer Fantasie arrangieren. Aber wäre eine kollektive Illusion nicht automatisch unsere Realität, haben wir uns dann gefragt, und existiert in jedem von uns nicht eine andere Perspektive, die wir Wirklichkeit nennen?
Farben,
Formen,
Muster,
Gefühle,
Schmerz;
woher weiß ich, dass du mein Blau meinst, wenn du „Blau“ sagst, und nicht mein Grün, fragtest du mich und widmetest dich wieder dem Glimmen deiner Zigarette.
Ich weiß nicht mehr, welche Antwort ich dir auf diese Frage gab, nur dass mich in diesem Moment das wohlig-warme Gefühl von Geborgenheit und die Erkenntnis überkam, dass wir uns dieselben Fragen stellen.
Jedenfalls … diese Perspektiven beschäftigen mich schon lange. Ich würde gerne mein Bild von der Welt mit deinem abgleichen. Alles über unsere vielen Schnittstellen hinaus kennenlernen. In deines eintauchen und Unerwartetes entdecken, dieses in meine Perspektive übernehmen und verstehen. Und wieder loslassen oder behalten – so genau weiß ich das noch nicht.
Ich möchte auch wissen, wie du dich selbst siehst, um deinem Selbstbild nicht Unrecht zu tun.
Ich kenne ja nur Fragmente.
Den Teil, den du mir zeigst.
Den ich registriere, erfasse, wahrnehme;
Vielleicht auch nur den Teil, den ich sehen will.
Und weißt du was? Ich bin mir nicht mehr sicher, ob ich dich wirklich kenne oder mir nur wünsche, das zu tun.
Ich habe einmal geglaubt, zu wissen, wer du bist. Aber dieses Urteil maße ich mir schon lange nicht mehr an. So wie jede:r von uns sich seine eigene kleine Welt arrangiert, so nehmen wir uns auch gegenseitig wahr. Oft liegen Welten zwischen dem Menschen, der wir glauben zu sein, und dem, den andere in uns sehen.
Unterschiedlich in der Struktur, gleich in der Summe.
Warum glaube ich zu wissen, aus dem gleichen Kern gemacht zu sein, wie du es bist, wenn ich nicht einmal weiß, ob wir uns nah oder fremd sind?
Ich möchte mal wieder Zeit mit dir verbringen.
Bitte melde dich, wenn ich wenigstens mit deinem Haustier Zeit verbringen kann. Du selbst bist ja nie da.
Liegt der Haustürschlüssel immer noch unter der Fußmatte?
Von Leandra.