Stell dir mal vor, um dich herum wäre nichts. Gut, grundsätzlich eine schwierige Aufgabe, in Anbetracht dessen, dass schon Einstein die Erkenntnis gemacht hat, dass wenn da nichts ist, da doch noch Raum ist. Unmöglich also, nichts zu haben. Tröstend, nicht?

Wie auch immer, stell dir einfach vor, um dich herum ist nichts ausser Raum. Kein Surren der Lüftung, kein Geruch von Abgasen der Strasse oder von anderen Menschen, keine Bilder, die sich in deine Augenlider einzubrennen scheinen und dich tagelang verfolgen. Kein prasselnder Regen, kein Duft von nasser Wiese, kein Sonnenaufgang. Nicht mal ein Sonnenuntergang.

Ist das Einsamkeit?

Ich denke nicht. Ich denke, für Einsamkeit braucht es schon ein wenig mehr als nichts. Zumindest etwas oder jemanden oder das Wissen, dass da mal etwas oder jemand war. Das Wissen, zu vermissen.

Einsamkeit ist Hilflosigkeit, Hoffnungslosigkeit, Trauer, Sehnsucht, Vergänglichkeit. Zumindest für mich. Für mich beginnt Einsamkeit dort, wo sich meine Gedanken überschlagen und kreisen und kreisen und kreisen. Zu blöd, dass so ein Kreis kein Anfang und Ende hat, das würde mir das Leben so erleichtern.

Wenn ich es also schaffe, meinen Kopf, meine Gedanken auszuschalten, bin ich sie los, die Einsamkeit. Und den prasselnden Regen, den Duft von nasser Wiese, das Pfeifen von kaltem Wind, warme Berührungen, den Sonnenaufgang, ja, sogar den Sonnenuntergang. Da wäre nichts. Ausser Raum.

Also nehme ich sie, die Einsamkeit, und alles, was sie verspricht, nämlich nie allein zu sein

mit Einsamkeit.


Text von Lenna, Bild von Nora.