Mein liebes Kind
Ich vermisse dich, seit ich das letzte Mal an dich gedacht habe. Seit einigen Monaten also.
Ich hoffe, dass es dir gut geht, auch wenn du nicht existierst. Es muss bestimmt schön dort sein, wo auch immer du bist, und es würde mich sehr freuen, Post von dir zu erhalten! Was hast du seit meinem letzten Gedanke alles unternommen? Ziehst du dich auch dem Wetter entsprechend an? Putzt du dir auch brav die Zähne? Isst du davor auch genug?
Ich liebe dich so sehr, dass ich dir keinen Namen geben kann.
Aus Angst, dass er dir nicht passen würden.
Aus Angst, dass er durch sein gewaltiges Gewicht deinen zerbrechlichen Körper zerschmettern würde.
Aus Angst, dass es diesen Namen schon gäbe und er nicht für sich selbst stehen könne.
Aus Angst, dass du den anderen Kindern erklären müsstest, wie man deinen Namen ausspricht und schreibt.
Aus Angst, dass man dir keinen kreativen Spitznamen geben könnte.
Aus Angst, dass, wenn ich alt und dement werden, ihn dann vergessen würde.
Aus Angst, ihn auf deinem Grabstein lesen zu können.
Aus Angst, dass dir keine gute Unterschrift dazu einfallen würde.
Aus Angst, dass gleichnamige Menschen ihn verunreinigen könnten.
Aus Angst, dass er dich einengen könnte.
Aus Angst, dass er dir zu bunt wäre.
Aus Angst, dass er dir zu lang wäre.
Aus Angst, dass du ihn nicht mögen würdest.
Ich kann deine Natur sowieso nicht mit einem mir bekanntem Wort umfassen, wie könnten die anderen dann deinen Namen mit ihren Lippen anfassen?
Für immer,
dein Hapa
Bild von Lili