Früher konnte ich oft nicht einschlafen, da ich überzeugt war, dass sich irgendwo da in meinem Zimmer ein Monster aufhält. Hauptverdächtiger Nummer eins, mein Schrank, blieb stets in meinem Blickfeld. Seinem fiesen Komplizen, dem Kleiderhaufen auf dem Boden, schenkte ich gerade genug Aufmerksamkeit, dass es noch für die Schublade reichte, welche ich ebenfalls im Augenwinkel behalten musste. Dazu brannte meine einzige Verbündete, die mir treu zur Seite hing, die Dunkelheit weg. Die Nachtlampe.
Heute weiss ich es besser. Natürlich weiss ich es heute besser, denn ich werde es heute immer besser wissen, als ich es gestern wusste und morgen besser als heute und doch bin ich mir nicht sicher, ob ich es nicht am besten wusste, als ich noch gar nichts wusste, aber das ist ein anderes Thema. Auf jeden Fall weiss ich es heute besser: da ist zweifellos ein Monster in meinem Zimmer.
Sobald ich nämlich die Augen schliesse, fängt es an zu sprechen. Es tanzt und schreit in meinem Kopf und die Schatten, die es wirft, lassen die Bewegungen weiter strahlen, als ob die Allegorie des Chaos persönlich dafür verantwortlich wäre.
Wieso tust du die Dinge, die du tust? Kannst du nicht besser sein? Willst du nicht besser sein, besser handeln und ausbrechen aus deinem Alltag, die Welt erobern und alles probieren was man probieren kann und zwischendurch einfach mal gar nichts tun? Neue Leute treffen, dich verlieben, lieben, leben, leiden, träumen, nackt im Regen tanzen, Wolken beobachten, auch wenn das doch irgendwie unfair ist, da Wolken unseren gaffenden Blicken völlig ausgesetzt sind, Bücher lesen, neues lernen, sehnsuchtsvoll in die Ferne schauen und doch zufrieden sein mit dem Ort, an dem du dich befindest. Wie lange willst du hier noch bleiben? Es ist schön, aber es ist klein und einengend, sowie die ganze Welt klein und einengend ist, wenn man sie zu lange betrachtet. Und alles ist vergänglich. Wieso sollte man Dinge haben wollen, wenn einem schliesslich sowieso nichts bleibt? Nichts, ausser das, was man gelebt hat.
Frech. Wirklich frech finde ich sie, die Art wie mir die Wahrheit vermittelt wird. Es ist laut und unaufhaltbar. Irgendwie unangenehm. Und das ganze auch noch zu dieser ungünstigen Zeit. Ich will doch nur schlafen.
Von Lenna