Als ich «blonde» zum ersten Mal durchgehört habe, kam mir beim 6ten Lied «Skyline To» ein sehr starkes Bild in den Sinn. Ein dunkler Wald mit hohen dünnen Bäumen in der Morgendämmerung und mit diesem Bild kam auch eine Traurigkeit, welche ich damals noch nicht ganz verstand. Jetzt fast ein halbes Jahr später, nachdem ich dieses Album, welches ich damals am ehesten als gut bezeichnet hätte, zum ersten mal wieder aktiv angehört habe, wurde mir bewusst wie dieses Projekt aus 2016 eine wunderschöne melancholische Reise darstellt, erzählt durch Vergangenes und nichtendend wollenden Nächten.
Die meisten Leser:innen kennen bestimmt die tiefe Traurigkeit, welche einem beim beobachten eines wunderschönen Sonnenuntergangs oder an einem schwülen Sommernachmittag um ca. 16:53 packt. Dieses Gefühl wenn man denkt die Zeit stehe still und Erinnerungen an eine nicht immer gute aber einfachere Zeit kommen hoch. Oder das Gefühl welches man mitten in der Nacht spürt, nachdem man schon drei zu viel geraucht hat und im Neonlicht realisiert, dass man nur noch für ein paar Stunden so frei ist, wie man es jetzt ist. Diese Gefühle fassen wir immer gerne als Melancholie zusammen. Diese so süsse Mischung aus Traurigkeit und Geborgenheit welche in Worten kaum beschreibbar ist, da sie sich in sich selbst so kontrastiert. Doch «blonde» schafft genau das. Es erweckt Melancholie in einem.
Die beiden vorher genannten Beispiel waren vorallem keine zufälligen, denn dies sind zwei der Hauptthemen des Albums. Nehmen wir beispielsweise Lieder wie «Ivy», «Pink + White» oder «Be yourself». Alle 3 rufen einen zurück in eine andere Zeit. Sei es vergangene Jugendliebe über welche man trauert oder eine Mutter welche besorgt um ihren jetzt selbstständigen Sohn ist. Wichtig hierbei ist nicht, dass man genau diese Situationen kennt, sondern vielmehr die Ehrlichkeit mit welchen die Geschichten erzählt werden fühlt. «Ivy» ist zum Teil süss und dann wieder verbittert. Es startet als ein zartes Liebeslied welches sich dann in das wortwörtlich schreiende Verlangen nach früher entwickelt. Genauso wirkt «Be yourself» wie ein ungeskriptete Combox einer besorgten Mutter. In Liedern wie «White Ferrari», «Seigfried» und natürlich «Nights» geht es dann um Nächte welche nicht zu enden scheinen. In welchen zwar unglaubliche Schönheit und Liebe steckt, aber auch soviel Trauer und Gift. Natürlich sind diese Themen in so gut wie allen Liedern vertreten und vermischen sich zu einer gefühlsvollen Masse welche dann vom letzten Hauptthema des Albums zusammengehalten werden. Liebe. Perfekt dargestellt im Intro-Lied «Nikes»
«Nikes» und das dazugehörige Musikvideo fassen das Album so gut wie perfekt zusammen. Man trauert über tote Bekannte, sagt sich los von der Welt und lebt nur für sich selbst, ist sich der eigenen Mortalität aber im Klaren. Die Nacht wird gelebt dass sie sich wie ein vergangenes Leben anfühlt. Das Musikvideo ist so ehrlich psychedelisch wie es nur wenige Kunstwerke die ich kenne geschafft haben. Gleichzeitig steckt es voller Liebe und Körperkontakt, welche verbunden mit den sanften Klängen des Beats eine Schönheit erschaffen welche sich aber auch nicht einer eben melancholischen Traurigkeit entziehen kann. Zu Zeiten wirkt vorallem auch das Musikvideo unglaublich chaotisch und unübersichtlich, doch trotzdem verliert es nie das Ziel aus den Augen. Genau wie das Album. Denn oft ist es unterschiedlich, man versteht es nicht immer ganz, manchmal ist es merkwürdig oder zu viel, doch die ganze Zeit lang hat man dieses eine Gefühl in sich drin. Eben diese Melancholie. Und all diese Eindrücke, welche im grossen und ganzen das selbe Gefühl in einem auslöse,n werden in den einzelnen Songs des Albums wieder aufgegriffen, doch nur am Anfang sind sie gebündelt um für einen umwerfenden Start zu sorgen.
Zu guter Letzt möchte ich zurück kehren zur Anekdote am Anfang des Textes. Das Bild welches sich bei «Skyline To» in meine Kopf manifestiert hat, war sehr ähnlich wie der Wald in welchem ich um 6:00 morgens stand, als am Wochenende vor dem Sommerferien langsam die Sonne über dem verschlammten Waldboden, auf welchem seit Stunden getanzt wurde, aufging und ich nicht mehr erschöpft sein hätte können. Ein Moment welcher mir in Erinnerung bleiben wird und jedes mal wenn ich daran denke, Melancholie an eine unendliche Nacht ohne irgendwelche Sorgen und Probleme, in mir hervorrufen. Und das dieses Album mit diesem einen Lied die Möglichkeit hatte dieses Gefühl in mir zu erwecken, zeigt die emotionale Stärke welche wundervoll darin eingewebt wurde.
Von Balz.